Was solidarische Landwirtschaft für uns bedeutet – unser Konzept

Auf dieser Seite möchten wir Dir erklären, was wir vorhaben und warum uns Solidarische Landwirtschaft wichtig ist! Viele Fragen findest Du hoffentlich bei den FAQs beantwortet – doch hier erst einmal die wichtigste:

Was ist eigentlich Solidarische Landwirtschaft?

In der Solidarischen Landwirtschaft geht es darum, dass ein Hof mit seinen Mitgliedern eine Gemeinschaft bildet. Der Hof baut Gemüse nicht für den anonymen Markt an, auf dem er dann in Konkurrenz zu anderen Betrieben seine Waren absetzen muß, sondern er erzeugt Lebensmittel gezielt für die Menschen in der Gruppe, die im Gegenzug die Arbeit und den Anbau finanzieren. Die Landwirt*innen und die übrigen Mitglieder der Gruppe bilden also eine Wirtschaftsgemeinschaft. Die vertragliche Bindung läuft jeweils für ein Jahr, sprich: eine landwirtschaftliche Saison lang. Die Produkte des Hofes werden unter den Menschen aufgeteilt, die Bewirtschaftungskosten werden gemeinsam von allen getragen. Hierdurch wird dem*der Landwirt*in ermöglicht, sich unabhängig von Marktzwängen einer guten landwirtschaftlichen Praxis zu widmen, den Boden fruchtbar zu erhalten und bedürfnisorientiert zu wirtschaften.

Das Modell stammt ursprünglich aus Japan, ist aber auch in den USA und im europäischen Raum insbesondere in Frankreich verbreitet. In Deutschland gibt es derzeit etwa 400 Solawi-Höfe und viele weitere Initiativen in Gründung.

Der persönliche Bezug macht die gegenseitige Verantwortung bewusst. Die Mitglieder erleben, wie ihre Ernährungsentscheidung die Kulturlandschaft gestaltet, soziales Miteinander, Naturschutz und (Arten-)Vielfalt ermöglicht und so eine zukunftsfähige Landwirtschaft stattfinden kann.

Solawi Prinzip

Wesentlich ist also, dass eine Gruppe die Abnahme der Erzeugnisse garantiert und die Ernte bzw. die Bewirtschaftung der Flächen gemeinsam vorfinanziert. Alle teilen sich die damit verbundene Verantwortung, das Risiko, die Kosten und die Ernte.

In unserem folgenden Konzeptpapier sind Aspekte der Solidarischen Landwirtschaft, die uns wichtig sind, genauer beleuchtet.

Solidarisch wirtschaften statt in Konkurrenz zueinander

Jedem*r soll unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten eine gesunde Ernährung mit regionalen und ökologischen Lebensmitteln ermöglicht werden. Deshalb haben wir variierende Mitgliedsbeiträge, jede*r bestimmt seinen Beitrag selbst. Das Jahresbudget des Betriebes wird gemeinsam getragen.

Alle Mitglieder sind durch eine Einlage Mit-Inhaber*innen der Produktionsmittel und nach dem Kauf auch der betrieblichen Flächen.

Ziel ist es, den Betrieb langfristig komplett in zweckgebundenes kollektives Eigentum zu überführen.

Die Kooperative wirtschaftet nicht profitorientiert. Überschüsse werden reinvestiert.

Wir bekommen Hilfe und Unterstützung von befreundeten Betrieben und geben Unterstützung an Andere weiter.

Wir wollen für drängende landwirtschaftliche und gesellschaftliche Themen ein Forum bieten und wollen das Modell der solidarischen Landwirtschaft in die Öffentlichkeit tragen.

Finanzierung

Der laufende Betrieb – Pacht, Personal, Saatgut, Abschreibungen – wird über die monatlichen Beiträge der Mitglieder finanziert. Hierzu wird jeweils vor Saisonbeginn das nötige Jahresbudget zur Bewirtschaftung unseres Betriebes berechnet. Die Monatsbeiträge der einzelnen Mitglieder können unterschiedlich hoch sein, in der Summe muss jedoch das Jahresbudget des Betriebs erreicht werden.

Bei der Beitragsrunde, einer für Mitglieder verpflichtenden Veranstaltung, bieten wir gemeinsam unsere individuellen Monatsbeiträge, um in der Gemeinschaft unser Jahresbudget zu erreichen.

Alle planbaren Ausgaben (Inventar, Maschinen, Ausbau der Wirtschaftsräume), die einmalig im Sinne einer Investition anfallen, sollen über eine Einlage gedeckt werden, die jedes Mitglied beim Eintritt in die Gemüsekoop beiträgt. Diese Einlage ist als “Kredit” zu verstehen, welche dem Mitglied beim Verlassen der Koop wieder ausgezahlt wird, insofern ein neues Mitglied dafür nachkommt und/oder der Gemüsekoop e.V. liquide genug ist, die Einlage zurückzuzahlen. Hat ein Mitglied Schwierigkeiten, die Investitionseinlage aufzubringen, kann gemeinsam eine Lösung gefunden werden.

Spezielle Betriebsbereiche, wie z.B. Lastenräder für die Verteilung der Lebensmittel, eine Küche zum Einmachen oder eine Backstube, könnten durch Crowdfunding-Kampagnen finanziert werden.

Gemeinschaft

Die Mitglieder sind auf ihrem Hof willkommen und können mithelfen und Einblicke in den Gemüse- und Obstbau bekommen. Besonders die Ernte-Tage mit dem gemeinsamen Frühstück sind ein Higlight. Bei Aktionstagen und größeren Projekten wie z.B. Aufbau eines Folientunnels kommen viele Mitglieder zusammen und es wird in der Gemeinschaft gearbeitet. Für eigene Projekte können AGs gegründet werden, die den Hof als Plattform nutzen und auch von der Koop finanziell unterstützt werden können.

Die Depots in den Stadtvierteln sind von den Mitgliedern selbst organisiert. Dazu gibt es einen Depot Reader mit Tipps. Bei größeren Problemen springen wir vom Hof ein. In vielen Depots gibt es einen Depotdienst, welcher am Ende der Abholung das Depot saubermacht und sich dafür die Überschüsse mitnehmen darf. Ziel ist auch, dass die Mitglieder sich in den Stadtvierteln organisieren, so kann eine Gemeinschaft aufgebaut werden, in der man sich unterstützt und gemeinsame Projekte verwirklichen kann.

Die ehrenamtliche Mitarbeit findet auf freiwilliger Basis statt, jede*r bringt sich ein, wie es gerade passt.

Ökologisch produzieren

Wir wollen keine Lebensmittel verschwenden. Deshalb werden bei uns keine Lebensmittel weggeworfen, nur weil sie nicht marktgerecht aussehen. Ob klein, krumm, dick oder dünn, alles was gut essbar ist, geben wir an unsere Mitglieder weiter.

Wir streben eine Kreislaufwirtschaft im Betrieb an. Es gibt die so genannte Hoftor-Bilanz, das heißt, man betrachtet alles, was aus dem Betrieb geht und was von Außen in den Betrieb kommt, und rechnet es gegeneinander auf. Diese Bilanz betrifft die Nährstoffe und soll ausgeglichen sein, damit man dem Boden einerseits nicht übermäßig viel entzieht und er andererseits nicht überdüngt wird.

Mit dem Gemüse verlassen den Hof permanent Nährstoffe, die vorher im Boden waren. Um möglichst wenig Dünger von Außen zukaufen zu müssen, gibt es verschiedene Methoden, die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu erhalten und zu steigern. Mit Kompost, Gründüngung, Mist oder Mulchen wollen wir Nährstoffe im Boden halten und aktiven Humusaufbau betreiben. Dadurch wird CO2 im Boden gebunden, was sich positiv auf das Klima auswirkt.

Wir legen Wert auf Blühstreifen, Imkerei, Feuchtbiotope und achten auf umweltverträgliche Anbaumethoden. Damit fördern wir die Artenvielfalt in unserem Agrarökosystem. Eine hohe Artenvielfalt und viele Sorten und Kulturen reduzieren auch das Risiko von Ernteausfällen.

Ein langfristiges Ziel ist es, standortangepasste Sorten anzubauen und ggf. züchterisch weiter zu entwickeln. Damit wir die Möglichkeit haben, Pflanzen aus dem eigenen Saatgut wieder nachzubauen, möchten wir einen möglichst hohen Anteil an samenfesten Sorten im Anbau verwenden und eine eigene Jungpflanzenaufzucht aufbauen. Dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit und Ernährungssouveränität.

Wir überlegen noch, ob wir einem Bio-Anbauverband beitreten möchten. Bei Bioland haben wir einen Beratungsvertrag und dadurch Zugriff auf das Netzwerk und Veranstaltungen. Einmal im Jahr besucht uns ein Berater von Bioland und diskutiert mit uns den Anbau. Da unsere Mitglieder jederzeit auf den Hof kommen können und wir unseren Anbau transparent gestalten, ist eine Zertifizierung nicht unbedingt notwendig.

Wir wollen unsere Produktionsmittel auf kurzen Wegen aus der Region beziehen und damit ein Netzwerk aus kooperierenden Betrieben aufbauen. Das könnte z.B. eine Futter-Mist-Kooperation mit einem benachbarten Bio-Bauer oder eine gemeinsame Jungpflanzenaufzucht mehrerer Betriebe sein.

Generell ist uns ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen wichtig. Wir möchten auf Dauer weg von fossilen hin zu regenerativen Energiequellen. Wir nutzen Solarstrom von den Solarzellen auf der Halle. Wenn möglich möchten wir Synergieeffekte nutzen, wie z.B. die Abwärme eines Kühlhauses für die Beheizung des Jungpflanzengewächshauses.

Tierhaltung

Wir wollen primär Gemüse produzieren. In keinem Fall wollen wir für unsere Mitglieder die Abnahme tierischer Produkte verpflichtend machen.

Wir streben an, zu gegebener Zeit verschiedene Formen einer artgerechten Tierhaltung in unsere Landwirtschaft zu integrieren mit dem Ziel, die landwirtschaftliche Produktion zu unterstützen. Neben tierischen Produkten wie Fleisch, Eier etc. tragen die Tiere auch zur Landschaftspflege bei und haben weitere nützliche Funktionen im Agrarökosystem. Tiere sind für den Gemüsebau wichtig, weil sie einen großen Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit leisten. Sie können Erntereste verwerten und in wichtigen organischen Dünger (Mist) umsetzen. Durch den Umsatz von hofeigenem und zugekauftem Futter tragen sie maßgeblich zu einer ausgeglichenen Hoftorbilanz bei.

Auf der aktuellen Fläche wäre die Hühnerhaltung im Mobilstall in Kombination mit Obstbau die naheliegendste Form der Tierhaltung. (Stand 2024)

Wir werden mit jeder konkreten Form der Tierhaltung nur beginnen, wenn wir eine schonende Schlachtung der Tiere außerhalb großer Schlachthöfe sicherstellen können.

Wann immer wir uns mit einem konkreten Projekt der Einbeziehung von Tieren befassen, wollen wir dies nicht auf Basis einer für alle verbindlichen Ernährungslehre tun, sondern auf Basis konkreter Bedürfnisse unserer Mitglieder und unserer gemeinsamen Landwirtschaft. Dabei werden neben praktischen Fragen auch die Finanzierung der jeweiligen Tierhaltung zu klären sein.

Interne Arbeits- und Entscheidungsstrukturen

Wir sind als Verein organisiert. Unsere Orga Struktur ist allerdings an einer Genossenschaft orientiert. Das oberste Gremium ist die Mitgliederversammlung. Sie entscheidet über Satzungsänderungen und Grundsatzentscheidungen. Im laufenden Geschäft entscheidet der Vorstand im Rahmen der Satzung. Der Vorstand wird von einem Beirat unterstützt. Die Koko (Kooperativen Koordination) ist das Gremium aller Angestellten des Vereins und koordiniert die verschiedenen Teams. Hier ein Überblick über unsere Teams:

Hier eine Übersicht, wie unsere Orga-Struktur aufgebaut ist:

Organigram

Und hier die einzelnen Teams und Gremien:

Koop Organigram

Wir haben für unsere Teams Supervision und falls es Konflikte gibt eine Mediation. Das ist uns wichtig und unterstützt uns dabei als Team gut zusammenzuarbeiten. Wir haben klare Zuständigkeiten und leben eine gute gemeinsame Kultur im Betrieb.

Unsere Arbeitnehmer*innen

Wir wollen unseren Arbeitnehmer*innen so viel bezahlen, dass sie sich für ihre Arbeit auch finanziell wertgeschätzt fühlen. Dies bedeutet eine Bezahlung deutlich oberhalb des Tarifvertrages.

Darüber hinaus wollen wir Teilzeitarbeit ermöglichen. Außerdem arbeiten wir mit Arbeitszeitkonten, die flexibel nach Absprache in den Teams gehandhabt werden. Die Winterzeit versuchen wir verstärkt für Fortbildungen und Erfahrungsaustausch zu nutzen. Solche Aktivitäten gehören für uns selbstverständlich zur Arbeitszeit.

Die Absicherung der Angestellten durch BG, Rente und Sozialabgaben wird sichergestellt.

Unsere Philosophie / unsere Werte

Wir haben ein Bild vom Menschen und vom Zusammenleben zwischen Menschen, das – anstatt durch Konkurrenz – durch aktive Suche nach gemeinsamen Lösungen geprägt ist.

Im Betrieb haben wir eine mehrstufige Organisationsstruktur, mit Arbeitsteilung und Delegation vieler Entscheidungen zum einen an diejenigen Aktiven, die faktisch die Arbeit durch ihre Zeit und ihren Einsatz tragen, und zum anderen an die Menschen mit Kompetenz und Erfahrung in der jeweiligen Aufgabe.

Die Unterschiedlichkeit der Individuen in ihren Fähigkeiten, Lebenserfahrungen und Überzeugungen ist die Basis für unser tun. Unser Ziel ist es, diese Vielfalt zum Blühen zu bringen und aus der Unterschiedlichkeit aller Menschen in der Gruppe zu schöpfen.

Bildung

Wir sind Ausbildungsbetrieb und bilden, in der staatlichen Ausbildung, Gärtner in der Fachrichtung Gemüsebau aus.

Wir wollen das Modell der solidarischen Landwirtschaft aktiv in die Gesellschaft tragen: Schulen, andere Betriebe, Initiativen und Einzelpersonen sollen die Möglichkeit haben, den Betrieb zu besichtigen, um Einblicke in Theorie und Praxis unserer Arbeit zu bekommen.

In der Initiative soll ein Raum für die Entwicklung alternativer Wirtschaftsweisen, für Diskussion und Austausch, gegenseitige Hilfe und Unterstützung entstehen.

Professioneller Anbau

Der Anbau der Lebensmittel soll von gut ausgebildeten Fachkräften auf professioneller Basis stattfinden.

Moderne Erkenntnisse aus dem Biolandbau und dem Gemüsebau werden in die Produktion eingebracht.

Wir wollen uns trotz Idealismus mit anderen Betrieben messen können, was die Wirtschaftlichkeit anbelangt.

Ein sinnvoller, der Betriebsgröße angepasster Mechanisierungsgrad soll einen möglichst ressourcenschonenden und effizienten Anbau ermöglichen.